Wertschätzung und Anerkennung im Job: Warum Sie ihr Team motivieren sollten – und wie das leicht gelingt
Wissenschaftliche Studien zeigen es immer wieder: Wertschätzung und Anerkennung sind die Motivationsfaktoren Nr. 1. Wer sich wertgeschätzt fühlt, bringt sein Potenzial ein, ist seltener krank und bleibt länger im Unternehmen. Doch was ist Wertschätzung überhaupt und wie geht man sie richtig an? Hier meine Empfehlungen und welche Fehler Führungskräfte unbedingt vermeiden sollten.
Inhalt:
- Wertschätzung und Anerkennung – was ist das überhaupt und warum sind sie so wichtig?
- Wertschätzung und Anerkennung: 3 Wege, wie Sie diese zeigen können
- Folgen fehlender Wertschätzung im Team – und welchen Nutzen die passende Anerkennung für Ihr Unternehmen bringt
- Diese 7 Fehler sollten Sie unbedingt vermeiden, wenn Sie überzeugend Wertschätzung zeigen wollen
- Zum Weiterlesen: Buchtipps
Motivierte Mitarbeiter:innen engagieren sich für ihre Arbeit. Sie sind innovativ, machen weniger Fehler, fühlen sich nützlich und empfinden Sinn und Freude an der Arbeit. Das wiederum wirkt sich positiv auf die physische und psychische Gesundheit aus und so last but not least auch auf die Leistung und den wirtschaftlichen Erfolg des Unternehmens. Und: die Anforderungen der modernen Arbeitswelt wie auch der Fachkräftemangel machen Motivation immer wichtiger.
Wertschätzung und Anerkennung – was ist das überhaupt und warum sind sie so wichtig?
Wertschätzung ist eine bedingungslose, positive, wohlwollende Haltung sich selbst und anderen gegenüber. Sie wird dem Menschen für sein So-sein entgegengebracht und geht über die Anerkennung von Leistung zum Beispiel durch Lob, finanzielle Anreize oder bestimmte Privilegien hinaus. Sie meint immer den ganzen Menschen.
Wertschätzung basiert auf Respekt. Das bedeutet jedoch nicht, dass Respekt automatisch wertschätzendes Verhalten nach sich zieht. Manch einer handelt eben „nur“ respektvoll.
Wertschätzung zeigt sich in der Akzeptanz des anderen und im Respekt gegenüber seiner Individualität, selbst wenn sein Verhalten Anlass zu Kritik gibt. Wer eine wertschätzende Grundhaltung hat, weiß und akzeptiert, dass Menschen Fehler machen und geht davon aus, dass sie daraus lernen.
Wertschätzung setzt emotionale Kompetenz, Empathie und Selbstwert voraus. Und, das ist das Schöne daran: Sie kommt zurück – mit Zinsen.
„Weniger werten und mehr wertschätzen führt zum Mehrwert für alle.“
Peter F. Keller, Schweizer Philosoph und Schrifsteller
Auch Anerkennung ist ein Grundbedürfnis jedes Menschen. Und damit eine wichtige Triebfeder für sein Handeln im sozialen Miteinander. Anerkennung motiviert, weil sie zeigt, dass wir etwas richtig und gut gemacht haben.
Im Unterschied zur Wertschätzung ist Anerkennung meistens „nur“ auf ein Resultat bezogen. Sie kann jedoch wesentlich zur Motivation beitragen, wenn Sie auch den gezeigten Einsatz der Beschäftigten für ein Projekt – zum Beispiel durch lange Arbeitstage oder Urlaubsverzicht – würdigen. Das gilt selbst oder gerade dann, wenn die Mühen nicht von Erfolg gekrönt waren. Dass sie überhaupt erwähnt werden, ist oft sogar wichtiger als das Lob für eine erbrachte (erfolgreiche) Leistung.
Wir kennen es alle: Wenn andere uns sehen, Interesse an uns zeigen oder uns ihre Anerkennung deutlich machen, fühlt sich der Alltag gleich ein bisschen heller und freundlicher an. Und wenn es dann noch der Chef oder die Chefin ist, der:die uns seine:ihre Wertschätzung zeigt oder uns ein positives Feedback gibt, ist das oft mehr wert als jede Prämie oder ein Bonus.
Wertschätzung und Anerkennung: 3 Wege, wie Sie sie zeigen können
1. Taten
Wertschätzung ist ein Geschenk, das wir machen. Durch unser Verhalten und Handeln wird sie sicht- und spürbar. Dabei spielen auch Umgangsformen eine Rolle, ohne Wertschätzung bleiben sie Floskeln.
Eine wertschätzende Atmosphäre schaffen Sie, indem Sie
- eine Kultur des Miteinanders statt Gegeneinanders fördern
- eine Haltung leben, die von Menschlichkeit und Fehlerfreundlichkeit geprägt ist
- ein Umfeld für Offenheit, Aufrichtigkeit und Vertrauen schaffen
- Verantwortung übergeben und so die Eigenverantwortlichkeit Ihrer Mitarbeitenden stärken
- Handlungs- und Entscheidungsspielraum bieten
- ehrliches Interesse und Verständnis für Schwierigkeiten zeigen
- Unterstützung anbieten
- sich Zeit nehmen für Ihre Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen
- ihnen auch mal den Vortritt lassen oder den größeren Redeanteil, z.B. im Jahresgespräch
- sich selbst transparent und authentisch geben und damit ein Vorbild sind
Damit legen Sie die Basis für eine gute, vertrauensvolle Beziehung – den entscheidenden Faktor für ein motiviertes und zufriedenes Team.
Und, noch etwas ist wichtig: Wertschätzung ist keine Einbahnstraße! Natürlich dürfen Sie ähnliches Verhalten, Höflichkeit und Wertschätzung auch von Ihren Mitarbeiter:innen erwarten. Denn: In guten Beziehungen ist das Verhältnis von Geben und Nehmen ausgeglichen.
2. Worte
Eine wertschätzende Grundhaltung zeigt sich auch in der Art, wie wir sprechen. Wertschätzende Kommunikation unterscheidet zum Beispiel nicht in richtig und falsch. Sie verfolgt eher eine Sowohl-als-auch-Logik. Die Sprache ist zurückhaltend. Im Gegensatz zu der Sprache, die wir gelernt haben, die häufig andere Menschen für die eigenen Gefühle verantwortlich macht und Schuldgefühle einflößt.
Wertschätzend kommunizieren Sie, in dem Sie
- ehrlich sind
- aufmerksam zuhören und nachfragen
- Details bemerken
- nicht (be)urteilen und (be)werten
- Anerkennung konkret aussprechen
- besondere Anstrengungen honorieren
- Dankbarkeit ausdrücken
- Interesse an Nicht-Beruflichem zeigen
- sich selbst zurücknehmen
Schon kleine Worte können einen großen Unterschied machen. Ein Beispiel: Wird man in der meist vollen Pariser Metro zufällig angerempelt, folgt sofort ein entschuldigendes „Pardon!“. In der Berliner oder Kölner U-Bahn kein Wort. Der:die Pariser:in signalisiert: „Ich sehe dich. Sorry, das war keine Absicht. Es tut mit leid.“ Der:die deutsche Großstädter:in duckt sich weg. Nach dem Motto: Man kennt sich ja eh nicht, wird sich mit großer Wahrscheinlichkeit auch nicht wiedersehen, spielt also keine Rolle. Es ist nur ein kleines Wort, aber der gefühlte Unterschied ist enorm.
Das gleiche gilt für das Wörtchen „Danke“. Es kann ein Detail sein, für das ich mich bedanke, eine vermeintliche Selbstverständlichkeit, und es ist so einfach.
3. Gesten
Neben dem, was wir mit Worten ausdrücken, signalisieren wir auch durch unsere Körpersprache, also Gestik, Mimik und Stimme, wie wir zum Gegenüber stehen.
Wertschätzung zeigen wir gestisch zum Beispiel dadurch
- dass wir uns dem:der anderen körperlich zu-wenden, wenn wir mit ihm:ihr sprechen.
- Und: schauen Sie Ihr Gegenüber an! Der Blick ist eine der wirksamsten Möglichkeiten, ohne Worte Kontakt aufzunehmen. Wer angeschaut wird, genießt im wahrsten Sinne des Wortes An-sehen. Achten Sie einmal drauf, welche Wirkung es hat, wenn Sie den Menschen wirklich in die Augen schauen – zum Beispiel beim Einkaufen im Supermarkt oder in der Fußgängerzone. Meist kommt unmittelbar ein Lächeln zurück. Suchen Sie auch mit Ihren Mitarbeitenden immer mal wieder den Blick-Kontakt – vor allem im Verlauf eines längeren Gesprächs.
Der Körper ist verräterisch. Er spricht eine eigene Sprache. Wenn Sie für jemanden keine Wertschätzung empfinden, können Sie sich noch so sehr um die richtigen Worte bemühen, er wird Sie verraten. Körpersprache ist wahrhaftiger als das, was wir verbal ausdrücken. Nur geschulte Redner haben sie im Griff. Wir Normalsterblichen können sie in der Regel nicht kontrollieren, denn der nonverbale Teil der Kommunikation ist unserem Bewusstsein entzogen.
Ein unabsichtlich nicht aufgenommener Blickkontakt beispielsweise kann unangenehme Folgen haben. Jemand, der lange nicht (an)gesehen wird, fühlt sich irgendwann übersehen und drückt die vermisste Wertschätzung dann vielleicht durch kritische Rückfragen, Widerstand gegen Entscheidungen oder abwertende Bemerkungen aus.
Ein (ungeschultes) Gegenüber nimmt den nonverbalen Teil der Kommunikation nur unbewusst wahr. Wenn die Worte nicht mit der Körpersprache übereinstimmen, bleibt meistens nur ein diffuses Gefühl von Nicht-Stimmigkeit zurück oder der Eindruck, dem anderen nicht so recht glauben zu können.
Folgen fehlender Wertschätzung im Team – und welchen Nutzen die passende Anerkennung für Ihr Unternehmen bringt
„Fehlen Wertschätzung und Anerkennung durch Führungskräfte, leiden die Beschäftigten“, sagt Helmut Schröder, stellvertretender Geschäftsführer des Wissenschaftlichen Institut der AOK (WIdO), das jährlich den „Fehltage-Report“ herausgibt. Dauert der Mangel an, sind psychischer Stress und Krankheiten die Folge.
Auch die so genannte innere Kündigung, der Dienst nach Vorschrift oder dann irgendwann die tatsächliche Kündigung sind Folgen, wenn die grundlegenden Bedürfnisse der Mitarbeitenden nach Wertschätzung und Anerkennung nicht erfüllt werden. In einer Studie von Compensation Partner beispielsweise gaben 45 Prozent der Befragten an, wegen fehlender Wertschätzung durch den Chef oder die Chefin gekündigt zu haben. Dieser Grund lag vor zu niedrigem Einkommen auf Platz Eins.
„Was kränkt, macht krank. Und was beleidigt, erzeugt Leid.“
Hildegard von Bingen (zugeschrieben)
Mangelnde Wertschätzung kann auch der Nährboden für Konflikte sein. Wenn jemand sich nicht gesehen, beachtet, anerkannt oder gewürdigt fühlt, führt das zu vielen kleinen Enttäuschungen. Und wer enttäuscht oder gekränkt ist, reagiert auch schon mal zynisch oder sarkastisch. Beides ist Ausdruck von indirekter Aggression, die sich natürlich auch im Job entlädt und entsprechenden Schaden in der Zusammenarbeit anrichtet.
Eine wertschätzende Arbeitsatmosphäre wirkt sich positiv aus:
- Höhere Arbeitsbelastung und Konflikte werden eher weggesteckt
- Mitarbeiter:innen sind zufriedener in ihrem Job
- Sie engagieren sich stärker, sind motivierter und produktiver
- Beziehungen und Arbeitsklima verbessern sich
- Beschäftigte fühlen sich wohler und sind seltener krank
- Fehlzeiten werden weniger
- Die emotionale Bindung ans Unternehmen wächst
Diese Fehler sollten Sie vermeiden, wenn Sie überzeugend Wertschätzung zeigen wollen
Fehler Nr. 1: Wertschätzung mit bestimmten Ergebnissen und Leistungen verbinden
Wertschätzung bezieht sich auf die Person und sollte grundsätzlich von der Leistung unbeeinträchtigt sein. Feedback-Gespräche sind das geeignete Format für Rückmeldungen zu Verhalten und Leistung.
Fehler Nr. 2: Wertschätzung nur bestimmten Mitarbeiter:innen zukommen lassen
Wenn Wertschätzung zu einer inneren Haltung geworden ist, schließt sich das eigentlich aus, dennoch möchte ich es erwähnen: Vermeiden Sie ungerechte Behandlung und stellen Sie sicher, dass alle gleichermaßen geschätzt und respektiert werden – auch die, die etwas „schwieriger“ sind oder nicht immer Ihre Meinung teilen.
Fehler Nr. 3: Wertschätzung nur hin und wieder zeigen
Sparen Sie sich die Äußerung Ihrer Wertschätzung nicht für das Jahresgespräch auf! Wertschätzung lässt sich nicht auf bestimmte formalisierte Gelegenheiten reduzieren.
Auch wertschätzende Komplimente wirken schnell aufgesetzt oder als übertriebene Schmeichelei, wenn sie nicht von innen kommen und ehrlich gemeint sind.
Fehler Nr. 4: Wertschätzung als Technik einsetzen
Wertschätzung ist keine Kommunikations-Technik, bei der es nur auf die richtigen Worte ankommt. Entscheidend ist die innere Haltung.
Fehler Nr. 5: Wertschätzung als Mittel zum Zweck nutzen
Eigentlich versteht es sich von selbst: Echte Wertschätzung kann nicht zur Manipulation benutzt werden. Anerkennung schon. Doch auch sie sollte nicht als Mittel zum Zweck eingesetzt werden. Anfänglich mag das funktionieren, doch je länger desto mehr werden solche „Strategien“ durchschaut und verlieren ihre Wirkung.
Fehler Nr. 6: Gießkannenprinzip statt individuelle Beziehungspflege
Nicht jede:r Mitarbeiter:in reagiert auf jede Form der Wertschätzung gleich. Wertschätzung wird unterschiedlich interpretiert und empfunden.
Gehen Sie also weniger von sich selbst aus, sondern überlegen Sie, wie Ihre Wertschätzung beim jeweiligen Empfänger am besten ankommt. Freiheitsliebende Persönlichkeiten zum Beispiel fühlen sich oft dadurch wertgeschätzt, dass ihr Entscheidungsspielraum vergrößert wird; sie betrachten das entgegengebrachte Vertrauen als Anerkennung ihrer Leistung. Andere hingegen fühlen sich durch das Angebot konkreter Unterstützung gesehen und wertgeschätzt.
Entwickeln Sie ein Gefühl für die unterschiedlichen Persönlichkeiten, mit denen Sie zusammenarbeiten. Wertschätzen Sie jede:n so, wie er:sie wertgeschätzt werden möchte. Aufschluss über verschiedene Persönlichkeiten und ihre Bedürfnisse gibt zum Beispiel das Riemann-Thomann-Modell.
Fehler Nr. 7: Vor lauter Bemühen um Wertschätzung keine Kritik mehr üben
Vor lauter Bemühen um einen wertschätzenden Umgang sind manche Führungskräfte ratlos, wenn es darum geht, Kritik zu üben. Wertschätzung heißt jedoch nicht, den anderen nur noch mit Samthandschuhen anzufassen oder nichts mehr sagen zu dürfen, das missfallen könnte. Wenn das Verhältnis grundsätzlich von Wertschätzung geprägt ist, ist auch Kritik kein Problem.
Kritik sollte hilfreich sein, aufbauen und nicht demotivieren. Beschönigen oder entschuldigen Sie deshalb nichts, bleiben Sie ernst und wohlwollend. Wie Sie Kritik so anbringen, dass sie zum gewünschten Arbeitsergebnis oder Verhalten führt, ohne dass sich Ihr Gegenüber als Versager fühlt, erläutere ich in meiner 3-Schritte-Anleitung:
Wenn Sie es wirklich ehrlich meinen, können Sie natürlich auch aussprechen, dass Ihre Kritik keine Einschränkung Ihrer grundsätzlichen Akzeptanz und Wertschätzung ist. Sagen Sie, dass es lediglich um ein Verhalten, die Art und Weise eines Vorgehens, eine Leistung oder ein Ergebnis geht. Das kann wichtig sein, weil viele Menschen Schwierigkeiten haben, den Unterschied zwischen ihrem Verhalten und ihrer Person zu sehen.
Zum Weiterlesen: Buchtipps
- Piroska Gavallér-Rothe, Wertschätzend Klartext reden, Books on Demand, 2019
- Reinhard Haller, Das Wunder der Wertschätzung: Wie wir andere stark machen und dabei selbst stärker werden, Gräfe und Unzer, 2021
- Bodo Janssen, Die stille Revolution: Führen mit Sinn und Menschlichkeit, Ariston 2016
- Stephan Pfob/Janett Triskiel, Wertschätzung: Ein Praxisbuch für Führungskräfte und Mitarbeiter*innen, Vahlen 2020
- Thorsten Rabenbauer, Führungsprinzip Wertschätzung: Mitarbeiter begeistern, motivieren und binden, Hanser 2021
- Eva Wlodarek, Die Kraft der Wertschätzung. Sich selbst und anderen positiv begegnen, dtv 2020